Der neue Ödipus




Reno, Nevada, 1994

Joe Whip wächst ohne Vater auf, träumt davon Magier zu werden, wird als 14-Jähriger von der Mutter vor die Tür gesetzt und verdient sich sein Geld mit Zaubertricks in den Bars von Reno. Nicht unbedingt das, was man einem 14-Jährigen wünscht. Doch eines Tages begegnet er einem Unbekannten, der ihm den Tipp gibt Norman Terence einen begnadeten Magier aufzusuchen. Norman gibt dem Jungen ein neues Heim, weist ihn in seine Kunst ein und behandelt ihn wie einen Sohn. Joe jedoch verliebt sich unsterblich in Normans Lebensgefährtin Christina und setzt sich schon beinahe fanatisch in den Kopf diese eines Tages zu verführen.

Den Vater töten

Bei Tuer le père handelt es sich nicht um einen Kriminalroman, sondern um eine Geschichte, angelehnt an den Mythos des Ödipus, der unwissend seinen Vater tötet, und die eigene Mutter heiratet.
Joe ist somit in gewissem Maße ein neuer Ödipus, Norman der Vater und Christina die Mutter. Doch Amélie Nothomb wäre nicht Amélie Nothomb, wenn sie dem ganzen Konflikt zum Ende hin nicht mit einer überraschenden Wendung eine ganz andere Bedeutung gäbe.

Leider aber muss man sich bis dahin mit einer absolut unsympathischen Hauptperson herumschlagen, zu der und zu deren Nebendarstellern gegenüber man kaum Gefühle aufbauen kann. Nun ist es bei Nothombs Büchern keine Seltenheit, dass man sich immer ein bisschen distanziert von ihren Charakteren fühlt, doch eine gewisse Sympathie kann man normalerweise durchaus für sie aufbringen.
Auch der Schreibstil lies mich ein bisschen enttäuscht zurück. Simpel, direkt und ausdrucksstark, wird die Geschichte wie gewohnt erzählt, lässt Humor allerdings sehr missen (oder war er mir dieses Mal einfach zu schwarz?). Da schreibt sie ein Buch über zwei Magier und lässt dafür alle, ihren Büchern in irgendeiner Form eignen Magie weg.


Interessant dagegen die Thematik. In Tuer le père dreht sich alles um diese fixen, fanatischen Ideen, die ganz schön Angst einflößend sein können. 
Den "Vater" emotional "töten", dessen Lebensgefährtin um jeden Preis für sich gewinnen - Joe steigert sich in einem Ausmaß in seine selbst gestellte "Aufgabe" ein, dass man man während des Lesens das Geschehen mit einer gewissen widerstrebenden Faszination verfolgt. Schnell sind unausstehliche Charaktere und "magieloser" Stil vergessen, den die Seiten blättern sich um wie nichts und das Büchlein ist mit seinen ca. 130 Seiten zu Ende. 

Wer weiß, worauf er sich mit Nothomb einlässt, kann getrost zu Tuer le père greifen, wenn es auch nicht ihr bestes Werk ist. "Neueinsteigern" empfehle ich sich eher mit einem anderen Buch zu begnügen. 





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